DSC04089Das Handling einer Yacht erfordert viel Erfahrung, ganz besonders am Ab- und Anlegen. Trotzdem gibt es einge Grundsätze, mit deren Beachtung Hafenmanöver deutlich besser gelingen. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Grundsätze zusammen, mit denen eine Yacht im Hafen sicherer zu führen ist.

Vor kurzem gab es in einem einschlägigen Seglerforum auf Facebook eine Diskussion über Anlegemanöver. Auslöser war dieses von mir gepostete Video eines Anlegermanövers, das wir in Molat in Kroatien im Herbst vor zwei Jahren beobachteten. Dabei ging einiges schief. Die Bedingungen waren durchaus anspruchsvoll, d.h. Seitenwind mit 15 Knoten und in Böen mehr, was einen Anfänger oder unerfahrenen Skipper oder Skipperin durchaus fordert.

Jeder Anleger ist anders und erfordert aufs Neue eine individuelle Planung und Durchführung und trotz aller Vorsicht wird jeder erfahrene Skipper oder jede erfahrene Skipperin bestätigen, dass auch dem Besten Fehler unterlaufen und dass es kein fixes „Kochrezept“ gibt. Aber gewisse Dinge kann man schon von vornherein verhindern. Bei Windstille anzulegen ist keine große Kunst, aber ab 10 Knoten Wind sollte man nicht zu gedankenlos mit einem mehrere Tonnen schweren Kahn durchs Hafenbecken steuern.

Ruhe bewahren

Bleib ruhig während des Manövers und konzentriere dich auf das gesamte Umfeld (also nicht nur aufs Ruder)! Behalte die Crew und die Nachbarschiffe im Auge. Lass dich nicht von den anderen Personen im Hafen (Nachbarschiffe, Marineros) durch gut gemeinte Ratschläge nervös machen.[1. Die Zuschauer auf der Mole sind alles mehrfache Weltumsegler mit Doktorat in Meteorologie — da kommst du sowieso nie heran ;)] Zieh das Manöver wie geplant durch!

Manöverplanung

Das Manöver vorher ausführlich planen. Das beginnt damit, dass man mithilfe nautischer Literatur (Hafenhandbücher, Karten,…) sich die Anlegemöglichkeiten im Hafen anhand der ausreichenden Wassertiefe aussucht. Daraus geht i.d.R. auch hervor, wie man dort anlegen muss, d.h. Muringbox, Dalbenbox, längseits, Buganker…

Crew instruieren

Das Manöver mit der Crew durchsprechen, die einzelnen Position verteilen und sich rückversichern lassen, dass jeder und jede seine/ihre Position auch verstanden hat und weiß, was zu tun ist.

Schiff vorbereiten

Das Schiff vorbereiten, d.h. vorher Ordnung machen, dass nichts Unnötiges herumliegt, Bimini, Sprayhood, Dinghy, etc. wegpacken. Die Dinge sind beim Anlegen nur im Weg und stellen unnötige Stolperfallen und Hindernisse dar. Alle Festmacher an den dafür vorgesehenen Klampen vorbereiten, Fender in der richtigen Höhe montieren.

„Parkplatz“ auswählen

Im Hafen einen entsprechenden Platz aussuchen, dabei auf die Windrichtung achten. Nimm den Platz, der günstig fürs Manöver ist und nicht den vorm Wirten (obwohl letzterer zugegeben natürlich verlockend ist 😉
In Ruhe auswählen, gegebenenfalls noch eine Runde im Hafenbecken drehen — auf die paar Minuten kommt’s nicht an.

Natürlich stellt sich auch die Frage, wo der „richtige“ Platz ist. Berücksichtige dabei die anderen Schiffe. Gerade Anfänger legen gerne da an, wo das nächste Schiff weit weg ist, aber gerade das macht das Manöver schwieriger, denn die anderen Schiffe bieten Windschatten. Wenn eine Box zwischen zwei Yacht frei ist, bietet sich diese ganz besonders an, denn sobald man „hineingetroffen“ hat, steckt man zwischen den Booten und kann daher gar nicht mehr abgetrieben werden. Und die Fender sind genau dafür da! Es ist ein Ammenmärchen, dass die Fender beim guten Anleger nicht berührt werden dürfen.

Rücksprache mit Crew

Ist ein Platz auserkoren nocheinmal kurz mit der Crew Rücksprachen halten, ob alles klar ist. Das Manöver so planen und durchsprechen, dass es grundsätzlich ohne Landhilfe möglich ist. Gerade in den Sommermonaten geht es in vielen Mittelmeerhäfen recht lebhaft zu und aufgeregte Marineros machen gerade Anfänger leicht nervös. Bereite die Crew auf das vor. Du bist der Chef, nicht der Marinero! Die eingeteilten Personen sollen auf ihren Positionen bleiben, solange das Manöver nicht abgeschlossen ist.

 In einem Zug fahren

Das Manöver so anlegen, dass man es in einem Zug durchfahren kann, ohne mittendrin stehenbleiben oder reversieren zu müssen.
Manchmal ist das leider nicht möglich, aber wenn es möglich ist, ist es auf meistens der bessere Weg. Z.B. nicht vorwärts in den Boxengasse, dann stehenbleiben und rückwärts in die Box schwenken, sondern gleich rückwärts in die Boxengasse und in die Box schwenken.
Ein fahrendes Schiff steuert der Rudergänger, ein stehendes Schiff der Wind!

Richtige Geschwindigkeit

Die richtige Geschwindigkeit wählen, d.h. so langsam wie möglich, aber schnell genug, um nicht vom Wind abgetrieben zu werden. Wenn der Wind beim Achterausfahren den Bug zur Seite „verweht“, ist man zu langsam.

Bug oder Heck voraus?

Oft ist zu beobachten, dass mit dem Bug voraus in enge Boxengasse gefahren wird, um dann mittendrin stehenzubleiben und mit dem Heck zurück in die Box zu fahren. Stehenbleiben kann bei Wind fatal sein, weil das Schiff dann abgetrieben wird. Wie bereits zuvor erwähnt, ist es daher meistens besser gleich im Hafenbecken, wo mehr Manöverraum ist, umzudrehen und mit dem Heck voraus in die Gasse zu fahren. Das funktioniert immer, außer wenn der Wind genau in gleicher Richtung in die Boxengasse hineinweht, dann wird nämlich spätestens beim Einschwenken in die Box der Bug überdrehen. Merkregel: Heck zum Wind (sofern mit dem Heck zur Mauer angelegt werden soll)!

Rechtzeitig Abbrechen

Sollte man bemerken, dass man die Box nicht gut trifft, oder man sonst irgendwie auf einen schlechten Kurs gekommen ist, das Manöver rechtzeitig abbrechen und vollkommen neu ansetzen. Nicht versuchen zu „basteln“ und korrigieren. Das erfordert viel Erfahrung, Gefühl und Kenntnis über das Verhalten der Yacht. Mit anderen Worten: Basteln macht die Sache i.d.R. nur schlechter!

Nachkontrolle

Liegt man in der Box nochmals alle Festmacher kontrollieren, ob die Länge passt und sie gut fixiert sind. Die Fender entsprechend der Nachbarschiffe versetzen und ggf. die Höhe anpassen.

Plan B

Bei der Manöverplanung und der Crew-Instruktion berücksichtigen, dass etwas schiefgehen kann und was dann zu tun ist (also z.B. das Manöver abzubrechen).

Plan C

Was tun wenn kein Platz da ist, oder das Manöver für den (einzigen) Platz zu riskant wäre? Nicht anlegen! Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, z.B. in der benachbarten Bucht vor Anker gehen, in ein Bojenfeld fahren, oder einen anderen Hafen aufsuchen. Auch wenn man dadurch längere Fahrtzeit in Kauf nehmen muss ist das immer noch besser, als Schiff und Mannschaft bei einem riskanten Manöver in Gefahr zu bringen.

Kategorien: Seemannschaft

Bernhard Fischer

Internet and Security Engineer, Open Source Advocate, Software Engineer, Hacktivist, Blogger, Skipper, Sailor.

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